Immobilien im Alter - wenn die Pflegekosten die Rente übersteigen!

Immobilie im Alter: Was tun, wenn Pflegekosten die Rente übersteigen?

Ein wichtiger Ratgeber für Eigentümer und ihre Familien vor dem möglichen Umzug ins Pflegeheim.

Wenn die Rente und sonstige Einnahmen nicht mehr ausreichen, um die Kosten für einen Pflegeplatz zu decken, rückt oft die eigene Immobilie in den Fokus. Dieser Beitrag erklärt, was Sie wissen müssen, um finanzielle Engpässe zu vermeiden und fundierte Entscheidungen zu treffen.

1. Pflege ist teuer – und betrifft immer mehr Immobilieneigentümer

Die Kosten für die stationäre Pflege steigen kontinuierlich.

  • Kostenentwicklung: Im Januar 2024 lag der bundesweite durchschnittliche Eigenanteil für einen Platz im Pflegeheim (nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse) bei 2.568 € pro Monat (Quelle: Verband der Ersatzkassen e.V. - vdek). Bis 2025 ist mit weiteren Steigerungen zu rechnen, sodass der Eigenanteil je nach Bundesland, Einrichtung und Pflegegrad auch deutlich höher liegen kann. Die Gesamtkosten (vor Abzug der Kassenleistungen) können sich durchaus auf 4.000 € bis über 5.500 € belaufen.
  • Finanzierungslücke: Renten und andere laufende Einnahmen reichen oft nicht aus, um diese Summen zu decken. Es entsteht schnell eine monatliche Lücke von 1.500 € oder mehr.

Gesetzliche Reihenfolge der Finanzierung:

  1. Eigenes Einkommen: Renten, Pensionen, Mieteinnahmen.
  2. Leistungen der Pflegekasse: Gemäß Pflegegrad (§ 43 SGB XI).
  3. Eigenes Vermögen: Dazu zählt auch die selbstgenutzte Immobilie, sofern sie nicht als Schonvermögen gilt (siehe unten).
  4. Sozialhilfe ("Hilfe zur Pflege"): Nach § 61 SGB XII. Der Staat springt erst ein, wenn sämtliches verwertbares Vermögen bis auf bestimmte Schonbeträge aufgebraucht ist.

2. Warum die eigene Immobilie zum Thema wird

  • Liquidität statt "Betongold": Ein Haus bindet Kapital. Im Pflegefall generiert eine selbstgenutzte Immobilie jedoch keine Einnahmen, die zur Kostendeckung beitragen könnten.
  • Erhalt vor Verwahrlosung: Leerstand führt zu laufenden Kosten (Betriebskosten, Instandhaltung) und kann den Wert der Immobilie mindern.
  • Vermeidung von Zwangsverwertung: Wer rechtzeitig handelt und verkauft, kann Konditionen, Zeitpunkt und Käufer selbst bestimmen und so oft einen besseren Preis erzielen als unter dem Druck des Sozialamtes.

Alternativen zum direkten Verkauf:

OptionKurzbeschreibungGeeignet wenn…
VermietungImmobilie bleibt im Besitz, Mieterträge decken Pflegekosten (teilweise).Mietmarkt attraktiv ist, eine hohe emotionale Bindung besteht.
TeilverkaufEin Teil der Immobilie wird verkauft, oft mit eingetragenem Wohn- oder Nießbrauchsrecht.Weiterhin ein (Rest-)Nutzungswunsch besteht, moderater Kapitalbedarf vorhanden.
NießbrauchVerkauf der Immobilie, wobei sich der Verkäufer ein lebenslanges Wohn- oder Nutzungsrecht (z.B. Vermietung) sichert.Die Immobilie nicht mehr selbst bewohnt, aber Erträge daraus erzielt werden sollen.
Leibrente / UmkehrhypothekDie Immobilie wird verkauft, der Kaufpreis als monatliche Rente ausgezahlt.Planbare, lebenslange Zahlungen gewünscht sind.

3. "Schenkung in letzter Minute"? Die 10-Jahres-Frist bei Schenkungen

Viele Eigentümer erwägen, ihr Haus vor dem Pflegefall an Kinder oder Enkel zu verschenken. Hier ist Vorsicht geboten:

ThemaGesetzliche GrundlageFolgen
Schenkungsrückforderung§ 528 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und § 90 SGB XII (Sozialgesetzbuch)Das Sozialamt kann Schenkungen bis zu 10 Jahre rückwirkend anfechten, wenn der Schenker pflegebedürftig wird und die Kosten nicht decken kann. Der Beschenkte kann dann zur Übernahme der Pflegekosten herangezogen werden.
Maßgeblicher StichtagDatum des Schenkungsvertrags bzw. der Grundbuchumschreibung.Der Rückforderungsanspruch des Sozialamts vermindert sich pro Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, nicht linear, sondern die Frist muss vollständig abgelaufen sein. Erst nach vollen 10 Jahren ist die Schenkung in der Regel vor dem Zugriff des Sozialamts sicher.
Umgehungsversuche
Scheinverträge oder unzureichend gestaltete Nießbrauchsvorbehalte sind riskant und können angefochten werden. Eine rechtssichere Beratung ist hier unerlässlich.

4. Was bedeutet das für die Kinder? Schonvermögen und Elternunterhalt

Gute Nachrichten für viele Kinder:

  • Angehörigen-Entlastungsgesetz: Seit dem 1. Januar 2020 müssen Kinder erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 € für den Unterhalt ihrer pflegebedürftigen Eltern aufkommen (§ 94 Abs. 1a SGB XII). Liegt das Einkommen darunter, prüft das Sozialamt in der Regel nicht die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kinder für den Elternunterhalt.
  • Schonvermögen der Kinder: Auch wenn die Einkommensgrenze überschritten wird, bleibt bestimmtes Vermögen der Kinder geschützt. Dazu gehören:
    • Eine selbstgenutzte, angemessene Immobilie.
    • Ein angemessenes Auto.
    • Angemessene Altersvorsorge (gesetzlich und privat).
    • Rücklagen für eigene Krankheit, Ausbildung der eigenen Kinder etc.
  • Regress bei Schenkungen: Unabhängig von der 100.000-Euro-Grenze kann das Sozialamt aber Regress nehmen, wenn den Kindern innerhalb der letzten 10 Jahre die Immobilie der Eltern geschenkt wurde (siehe Punkt 3).

5. Ablauf eines planvollen Immobilienverkaufs bei Pflegebedarf

  1. Wertermittlung & Strategie:
    • Professionelle Marktwertanalyse (Verkehrswert) erstellen lassen.
    • Verkaufsstrategie festlegen: freier Verkauf, Bieterverfahren, Verkauf an Investoren etc.
  2. Klärung der Pflegesituation:
    • Heimkosten, anerkannter Pflegegrad und daraus resultierender Eigenanteil genau ermitteln.
    • Prüfen, welche Pflegekosten steuerlich absetzbar sind (als außergewöhnliche Belastungen, § 33 EStG).
  3. Berechnung der Liquiditätslücke:
    • Ermitteln, wie lange der Verkaufserlös die Differenz zwischen Pflegekosten und Einkommen decken kann.
  4. Zeitplan & ggf. Zwischenfinanzierung:
    • Den Übergang vom Bezug des Pflegeheims bis zur Räumung und dem Verkauf der Immobilie planen.
    • Eventuell eine Zwischenfinanzierung für die ersten Heimkosten überlegen, falls der Verkaufserlös noch nicht verfügbar ist.
  5. Steuern & Gebühren berücksichtigen:
    • Spekulationssteuer (§ 23 EStG): Fällt in der Regel nicht an, wenn die Immobilie im Verkaufsjahr und den beiden vorangegangenen Jahren selbst genutzt wurde oder seit Anschaffung mehr als 10 Jahre bei Fremdvermietung vergangen sind.
    • Weitere Kosten: Maklercourtage, Notargebühren, Grundbuchkosten, ggf. Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kreditablösung.
  6. Sicherheiten beim Verkauf:
    • Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto oder direkte Zahlung nach Absicherung im Grundbuch vereinbaren.
    • Räumung und Übergabe vertraglich klar regeln.

6. Die Rolle eines spezialisierten Maklers oder Immobilienunternehmens

Ein Makler, der Erfahrung mit Immobilienverkäufen in Pflegesituationen hat, kann wertvolle Unterstützung leisten:

  • Diskrete Vermarktung: In dieser sensiblen Lebensphase ist Fingerspitzengefühl gefragt.
  • Koordination: Abstimmung mit Pflegeberatern, rechtlichen Betreuern und Banken.
  • Fachkenntnis: Wissen um relevante Aspekte des Pflege- und Sozialrechts (z.B. Schenkungsfristen, Umgang mit Betreuungsgericht).
  • Netzwerk: Kontakte zu Gutachtern, Entrümplern und Senioren-Umzugsdiensten.
  • Transparenz: Klare Kostenstruktur und ein nachvollziehbarer Zeit- und Maßnahmenplan.

7. Checkliste für Eigentümer und Angehörige

  • Finanzen kalkulieren: Pflegekosten den regelmäßigen Einnahmen gegenüberstellen.
  • Pflegeansprüche prüfen: Pflegegrad beantragen/überprüfen und Leistungsansprüche bei der Pflegekasse klären.
  • Vermögen auflisten: Eine detaillierte Aufstellung aller Vermögenswerte (inklusive Immobilien) erstellen.
  • Schenkungen prüfen: Alle Schenkungen der letzten 10 Jahre dokumentieren.
  • Steuerliche Folgen klären: Mögliche Spekulationssteuer beim Verkauf oder erbschaftsteuerliche Aspekte bedenken.
  • Verkaufsoptionen vergleichen: Direkter Verkauf, Vermietung, Leibrente etc. abwägen.
  • Professionelle Hilfe suchen: Ggf. einen Makler mit Expertise im Bereich Pflegeimmobilien beauftragen.
  • Übergangslösung für Heimkosten bedenken: Wie werden die Kosten bis zum Verkaufserlös gedeckt?

8. Fazit

Die eigene Immobilie ist oft der größte Vermögenswert und kann entscheidend dazu beitragen, eine würdevolle stationäre Pflege zu finanzieren, ohne in eine Schuldenfalle zu geraten oder eine ungewollte Zwangsverwertung durch das Sozialamt zu riskieren.

Wer rechtzeitig und vorausschauend plant, schützt sich und seine Familie vor bösen Überraschungen, insbesondere vor Rückforderungen von Schenkungen innerhalb der 10-Jahres-Frist.

HINWEIS: Holen Sie sich Unterstützung von Fachleuten aus der Immobilienwirtschaft, der Pflegeberatung und dem Sozialrecht. Eine gemeinsame Beratung hilft, den besten Verkaufserlös zu erzielen und gleichzeitig alle sozial- und steuerrechtlichen Fallstricke im Blick zu behalten.


RECHTSHINWEIS: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechts- oder Steuerberatung. Bitte wenden Sie sich bei konkreten Fragen an einen Fachanwalt für Sozial- oder Erbrecht sowie an Ihren Steuerberater.

Ich möchte beraten werden

*
*
*
*